Big Data: Kundenkarten

Big Data ist auch so ein Schlagwort, von dem auch ich schon viel gelesen habe, das aber meistens nur wenig konkret mit Inhalt gefüllt werden kann. Wann sind Datenmengen wirklich „big“? Dann wenn sie nicht mehr einfach so zu 100% abgespeichert werden können, weil es einfach zu viel Speicherplatz braucht? Oder eher dann, wenn genug Daten vorhanden sind, um sich von jemandem ein „vollständiges“ Bild machen zu können?

In einer Vorlesung der Zürcher Volkshochschule (brandneu Januar 2016!) wurden zu diesem Thema auch die Kundenkarten, die Firmen so gerne an den Mann / an die Frau bringen, unter die Lupe genommen. Nebeninformation: Cumulus und Supercard sind schweizweit mit je ca 3’000’000 Nutzern die am meisten verbreiteten Kundenkarten. Sinn und Zweck von Cumulus und Co. ist ja nicht der „Sparbatzen“, der periodisch mit inszenierter Grosszügigkeit an die Nutzer der Karten „zurückgegeben“ wird. Dieser „Treuebon“ ist der Preis für unsere Daten, die Migros und Co. so freiwillig von uns erhalten resp. absaugen dürfen. Es geht dabei nicht nur um zielgerichtete Werbung, je nach Einkauf kann auch analysiert werden, ob Sie gerade krank oder schwanger sind.

Harmlos? Sicher, wir haben ja nichts zu verbergen. Irgendwann merkt jeder, dass frau schwanger wurde. Komplizierter wird’s dann, wenn diese harmlosen Angaben mit anderen Daten über uns kombiniert und analysiert werden. Wenn zum Beispiel unsere Adresse, das Quartier, in dem wir wohnen, zusammen mit dem Beruf, dem Leasingkredit des Autos und unserem Einkaufsverhalten darüber entscheidet, ob wir für eine andere Bank eher kreditwürdig sind und die gewünschte Hypothek für unseren „Häuslewunsch“ eher erhalten (oder eben eher nicht).

Zu weit hergeholt? Nein, daran wird gearbeitet. Amazon und Co arbeiten mit grossen, den meisten aber unbekannten internationalen Firmen zusammen, um unser Datenportfolio so vollständig wie nur möglich zu halten. In Deutschland ist es per Gesetz möglich, von den Sammlerfirmen Einblick in das private Dossier zu verlangen. (Ich weiss nicht, ob die CH auch so eine Möglichkeit bietet, eher unwahrscheinlich.) Erstaunlich, was da zusammengekommen ist und vor allem, was mit unseren Daten so alles gemacht, sprich wie viele davon weitergegeben oder besser gesagt weiterverkauft werden!

Zurück zu den Kundenkarten: Cumulus und Co. sind eigentlich bereits veraltet. Neu wird an der Erkennung unseres Gesichts gearbeitet. War es bei Cumulus und Co. noch möglich, mit einem Aliasnamen eine zweite Perönlichkeit vorzutäuschen, wird das mit der Videoaufzeichnung unseres nächsten Einkaufs nicht mehr möglich sein. Denn Gesicht und Creditcard zusammen ergeben eine klare Persönlichkeit. Oder dachten Sie etwa im Ernst, das „Self-Checkout“ bei Cumulus KreditkarteMigros und Coop hätte irgendwas mit der gefühlt schnelleren Abwicklung zu tun? Eher nein, beim „Self-Checkout“ werden ja bekanntlich nur Kreditkarten akzeptiert. Am liebsten natürlich die von der hauseigenen Migrosbank, dann schliesst sich der Kreis sicher einfacher und schneller.

Paranoid? Nein Big Data = Big Business, wie Fachleute, die in dieser Branche arbeiten, bestätigen. Und ein riesiges Sicherheitsrisiko zudem, denn wer garantiert schon die Geheimhaltung und die richtige Kombination meiner Daten? Und überall, wo Goldgräberstimmung herrscht, wird der kurzfristige Gewinn über alle anderen Ziele gesetzt.

Haben Sie sich auch schon gefragt, wann diese Datensammelwut das öffentliche, sprich politische Leben einholt? Keine Sorge, ist in Arbeit. Der Wahlkampf von Obama hat es vorgemacht. Höre ich da einen Einspruch? Etwa: „Das war in USA, nicht in der CH !“ Falsch, die Steuerämter verschiedener Kantone sind da bereits am Werk. So kann wenigstens das in die Verfassung zu schreibende Recht auf Steuerhinterziehung (schönfärberisch Bankgeheimnis genannt) ausgehebelt werden. Das wäre dann für uns Normalbürger einmal eine gute Nachricht.